Gemeinwesenentwicklung als Querschnittsaufgabe von Jugend- und Integrationsarbeit

Die Gründung von komm!unity ist wesentlich davon angetrieben, sich auf eine neue Bezugsgröße in der Jugend- und Integrationsarbeit zu beziehen: das Gemeinwesen. Dieses stellt ganz allgemein das „ökologische, kulturelle und soziale Umfeld des Menschen“ dar[i]. Etwas präziser handelt es sich dabei um ein „Beziehungsgeflecht zwischen Menschen, Gruppen und Organisationen, die in einem umschriebenen Gebiet leben und/oder tätig sind“[ii]. In diesem überschaubaren sozialen Nahraum laufen beinahe alle „Lebensfunktionen“ zusammen: „Wohnen, Arbeit, Kommunikation, Mitgliedschaft, Versorgung, Sozialisation, Austausch, etc.“[iii].

Bei komm!unity verstehen wir Jugend- und Integrationsarbeit als Querschnittsthemen, die all jene, zuvor genannten Lebensbereiche berühren. Jugendliche und Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund sind dabei wiederum in ein bestimmtes soziales Beziehungsgefüge eingebettet, das sich in einem bestimmten sozialen Raum befindet: das Gemeinwesen. Deshalb betrachten wir Gemeinwesenentwicklung bzw. Gemeinwesenarbeit als Querschnittsaufgabe unserer Arbeit bei komm!unity. Unsere Gemeinwesenarbeit (GWA) fußt dabei auf fünf Prinzipien[iv]:

  1. GWA als zielgruppen- und bereichsübergreifender Ansatz

Themen im Gemeinwesen lassen sich nicht mit dem Blick auf eine isolierte Zielgruppe oder einen einzelnen Lebensbereich betrachten. Dafür sind die Zusammenhänge schlichtweg zu komplex. GWA greift diese Zusammenhänge zielgruppen- und lebensbereichübergreifend auf. Dies erfordert eine besondere Organisationsstruktur: Nicht starre, zielgruppenspezifisch spezialisierte Einrichtungen sind das Ziel, sondern die Möglichkeit, mit flexiblen Angeboten auf Bedarfe im Gemeinwesen reagieren zu können. Durch die Vereinigung von Jugendarbeits-, Integrations- und Bürgerbeteiligungsstrukturen unter einem Dach hat komm!unity hierfür entsprechende Voraussetzungen geschaffen.

  1. Vermittelnde und intermediäre Funktion

Unsere Gesellschaft steht vor vielfältigen Herausforderungen: Eine zunehmende Individualisierung, das Faktum der Migrationsgesellschaft, der demographische Wandel und berufliche Mobilität haben zu verschiedensten Lebensentwürfen geführt. Dies ist nicht nur in Großstädten, sondern zunehmend auch in kleinstädtischen und ländlichen Räumen der Fall. Was zum einen einen Zuwachs an Freiheit und Vielfalt bedeutet, kann zum anderen zu Konflikten führen. Insgesamt ist ein Rückgang an Sozialkapital[v], also positiven und verbindenden Beziehungen zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen feststellbar. GWA übernimmt hier die Rolle, zwischen unterschiedlichen Gruppen zu vermitteln und ein gelingendes Zusammenleben zu unterstützen. Beispielhaft wurde dies 2012 im, von komm!unity in vier Wohnanlagen durchgeführten EIF-Projekt „Haus.gemein.schaf(f)t“ unternommen. Weiters fungiert GWA in ihrer intermediären Funktion als Bindeglied zwischen BürgerInnen und Politik bzw. Verwaltung, moderiert und gewährleistet nachhaltige Bürgerbeteiligungsprozesse.

  1. Vernetzung und Kooperation

GWA vernetzt unterschiedlichste Personen, Vereine, Initiativen und Einrichtungen im Sozialraum und kooperiert mit diesen. Ziel ist es, Sozialkapital und Identifikation mit dem Gemeinwesen zu erhöhen und in unterschiedlichen Bereichen gemeinsam Angebote zu ermöglichen, die die Lebensqualität im Gemeinwesen erhöhen. Beim, von komm!unity betriebenen Projekt „I-Motion“ erhalten Jugendliche für Hilfstätigkeiten im Gemeinwesen Zeitwertkarten, die sie wiederum in lokalen Betrieben einlösen können. Dieses Projekt stiftet zum einen Beziehungen zwischen unterschiedlichen Gruppen, insbesondere generationenübergreifend, zum anderen fördern die Zeitwertkarten lokale Wirtschaftskreisläufe, die wiederum zu einer besseren Versorgungsstruktur vor Ort führen.

  1. Bedürfnisorientierung

GWA geht stets von den Bedürfnissen der Menschen aus, mit denen sie arbeitet. Trotz der, in den Prinzipien zuvor formulierten Ziele orientiert sie sich letztendlich an den, von den Menschen selbst geäußerten Anliegen in Bezug auf ihr Gemeinwesen.

  1. Aktivierung

GWA befähigt Menschen dazu, sich selbst für ihre Anliegen einzusetzen und schafft dafür durch ihre intermediäre Funktion auch entsprechende lokalpolitische Voraussetzungen. BürgerInnenbeteiligung will gelernt werden – sowohl von Seiten der BürgerInnen als auch von Seiten der Politik. GWA ist damit auch Bildungsarbeit im weitesten Sinne und ein Beitrag zu einer gelebten Demokratie. GWA steht damit auch im Kontext der lokalen Agenda 21: 1992 wurde auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro beschlossen, dass die Antworten auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – Klimawandel, Rohstoffknappheit, die Weltbevölkerungsentwicklung, schwindendes Wirtschaftswachstum, zunehmende soziale Ungleichheit –, auf lokaler Ebene unter maßgeblicher Beteiligung der jeweiligen BürgerInnen verhandelt werden müssen.

Zusammenfassend setzt sich also Gemeinwesenentwicklung zum Ziel, soziale Beziehungen vor Ort zu stärken und auszubauen, die Identifikation mit dem jeweiligen Sozialraum zu erhöhen und gesamthaft die Lebensbedingungen im Gemeinwesen zu verbessern. Diese Aufgabe haben wir uns bei komm!unity auf die Fahnen geschrieben.

[i] vgl. Edler, Margarita (2002): Einführung in die Theorie und Praxis der Gemeinwesenarbeit.
URL: sozialarbeit.fh-joanneum.at/public/sozialeArbeit/SkriptumFHGWAM.Edler.doc

[ii] vgl. Oelschlägel, Dieter (2011): Gemeinwesenarbeit – Chancen, Möglichkeiten und Voraussetzungen
URL: http://www.stadtteilarbeit.de/theorie-gwa-146/grundlagen-gwa/359-chancen-gwa.html

[iii] vgl. Edler, Margarita (2002): Einführung in die Theorie und Praxis der Gemeinwesenarbeit.
URL: sozialarbeit.fh-joanneum.at/public/sozialeArbeit/SkriptumFHGWAM.Edler.doc

[iv] vgl. Wiener Vernetzungsfrühstücks für Gemeinwesenarbeit (2004): Grundlagen der GWA in Wien. Ein Positionspapier des Wiener Vernetzungsfrühstücks für Gemeinwesenarbeit.
URL: http://www.bassena.at/site/stadtteilzentrumbassena/positionspapier

[v] Büro für Zukunftsfragen (2010): Endbericht zur Studie „Bürgerschaftliches Engagement und Sozialkapital in Vorarlberg 2010 – Soziales Monitoring für Sozialkapital und Engagement“.
URL: http://www.vorarlberg.at/pdf/endberichtstudieengageme1.pdf