freiraum für jugendliche – luxus oder gemeindepolitische notwendigkeit?

 

Jugendliche im öffentlichen Raum sind oft laut, hinterlassen Müll, halten sich an Orten auf, an denen sie sich vermeintlich „nicht aufhalten sollten“. Manchmal geht auch etwas kaputt. Diese Wahrnehmung gibt es in vielen Gemeinden. Was steht dahinter?

EntwicklungspsychologInnen und HirnforscherInnen vertreten den Standpunkt, dass Jugendliche für eine gelingende Entwicklung und ein Hineinwachsen in die Gesellschaft Freiräume benötigen. Frei-„Räume“ sind dabei wörtlich gemeint. Der Hirnforscher Gerald Hüther ist der Ansicht, dass Jugendliche in der Gemeinde Orte brauchen, die für sie gestaltbar und veränderbar sind. Die „Aneignung“ solcher Orte sei für Jugendliche eine zentrale Erfahrung, Problemlösungskompetenzen zu erwerben, Herausforderungen zu bewältigen, Selbstwirksamkeit zu erfahren und soziale Verhaltensweisen einzuüben. Erst in der tätigen Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt reifen Jugendliche zu Erwachsenen. Das bringt auch mit sich, manchmal „über die Stränge zu schlagen“, um in der Folge Maß und Ziel finden zu können. Das Gewähren solcher Orte und des „sich-Ausprobieren“ ist eine zentrale Wertschätzung der nachkommenden Generationen, sich als Teil der Gesellschaft fühlen zu können. Freiraum für Jugendliche ist somit – ja – eine gemeinde- und eine gesellschaftspolitische Notwendigkeit.

Es stellt sich die Frage, ob es in Wörgl solche Orte gibt. Aus den Beobachtungen der mobilen Jugendarbeit halten sich Jugendliche vielfach an Kinderspielplätzen, Sportanlagen und Einkaufszentren auf – Orte, denen vielfach eine andere Funktion zugedacht ist und die für Jugendliche meist nicht gestaltbar sind. Ein Ergebnis eines Politcafés – einer Gesprächsrunde zwischen Jugendlichen und GemeindepolitikerInnen im Juli 2015 –, war es, dass sich Jugendliche in Wörgl einen zentrumsnahen, überdachten Treffpunkt im öffentlichen Raum ohne Konsumzwang wünschen.

Die Beobachtungen der Jugendarbeitsforschung und aus anderen Tiroler Gemeinden zeigen, dass solche Orte zunehmend rar werden. Deshalb veranstaltet der STARK, (Streetwork Arbeitskreis Tirol), das ist die Vernetzungsplattform der mobilen Jugendarbeit in Tirol, jedes Jahr im September tirolweit „Jugendfreiraum-Aktionen“, die den Bedarf an Freiräumen für Jugendliche aufzeigen.

Die Achterbahn mobile Jugendarbeit Wörgl ludt deshalb am 22. September 2015 Jugendliche und PassantInnen ein, die, anlässlich des autofreien Tags gesperrte Bahnhofstraße mit Paletten und anderen Materialen kreativ zu einer Sitz- und Wohlfühllandschaft zu gestalten. Die sozialen Einrichtungen LEA Produktionsschule und Werkbank waren ebenfalls mit ihren Möbeln präsent. Somit entstand ein temporär gestaltbarer städtischer Raum, der jedoch aufzeigte, was im Wörgler Zentrumsgebiet möglich sein könnte.

Zur Einrichtung: Die Achterbahn mobile Jugendarbeit leistet aufsuchende Jugendarbeit für 14-  bis 24-jährige in Wörgl und feierte 2016 ihr zehnjähriges Bestehen. Die beiden mobilen JugendarbeiterInnen, Tobias Muster und Patricia Kleibert, suchen Jugendliche an ihren Treffpunkten in Wörgl auf und sind erste Ansprechpersonen für deren Anliegen und Wünsche, aber auch Probleme und Sorgen. Mobiler Jugendarbeit kommt dabei eben die Rolle zu, gestaltbare Freiräume mit Jugendlichen zu entwickeln, zu begleiten und dabei gegenüber anderen NutzerInnen öffentlichen Raums – AnrainerInnen, Kindern, Familien, SeniorInnen zu vermitteln. Mobile Jugendarbeit ist somit ein wichtiger Beitrag zu einem gelingenden Zusammenleben in der Stadtgemeinde.